Chronische Stresserkrankungen

Wie chronische Stressbelastungen uns krank machen und unser Leben verkürzen können

Bei fortbestehendem chronischem Stress ist es vor allem die chronische Aktivierung des Sympathischen Nervensystems (Sympathikotonie), die unser Leben verkürzt oder uns schwer krank macht, weil dieses System leider  keine gezielte Downregulation seiner Aktivität durchmacht. Im Gegenteil, seine Einwirkung wird noch dadurch verstärkt, dass das Regulationssystem der Parasympathischen Kerne im Hirnstamm zunehmend erschöpft und somit seine Bremsfunktion gegenüber dem Sympathikus verliert.

Die chronische Sympathikotonie ist daher hauptverantwortlich für die Symptome und Folgeerkrankungen bei chronischer Stressbelastung und verursacht die Unfähigkeit zur Entspannung, Ruhelosigkeit und Nervosität.

Zentralnervöse Veränderungen bei chronischen Stressbelastungen

Die Kenntnis der strukturellen, molekularbiologischen und pathobiochemischen Veränderungen des Gehirns, die unter chronischer Stressbelastung auftreten können, ist Voraussetzung für das tiefere Verständnis der klinischen Symptomatik.

So sind z.B. chronische Hyperkortisolämie und Sympathikotonie (chronische Hyperaktivität des Sympathischen Nervensystems (SNS)) auch verknüpft mit Antriebsstörungen, Angststörungen, Störungen der Motivation und Freudlosigkeit (Anhedonie) und können letztlich auch in schwere Depressionen führen, wie wir sie im Endstadium des Burnout-Syndroms vorfinden. Nicht umsonst hat man diese dann auch als Stress-Depression bezeichnet.

Bei ihrer Entwicklung spielt eine Störung des Tryptophan-Stoffwechsels eine wichtige Rolle, denn chronischer Stress führt über eine Aktivierung von Entzündungsbotenstoffe (proinflammatorische Zytokine) zu einer Störung des Tryptophanstoffwechsels, die einerseits einen Mangel an dem Entspannung Hormons Serotonin mit sich bringt und andererseits die Bildung von Abbauprodukten des Tryptophans, die Nervenzellen schädigen, beziehungsweise sogar zerstören können.

Folgen der chronischen Hyperaktivität des ZNS (Zentralnervensystems)

Glutamat-Toxizität

Glutamat ist der im Gehirn am weitesten verbreitete, erregende Nervenbotenstoff, der an sogenannten NMDA-Rezeptoren, die über das gesamte Gehirn verteilt sind, andockt. Hier führt er zu vermehrtem Calciumeinstrom und setzt in der Zelle Prozesse in Gang, die letztlich zu vermehrter Stickstoffradikalbildung und in der Folge zu entsprechenden Zellschäden führen können. Die Glutamatexcitotoxicität steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Parkinson-Syndroms und spielt auch beim Alzheimersyndrom und der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) eine wesentliche Rolle.

Noradrenalin-Toxizität

Noradrenalin spielt eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Entwicklung schwerer chronischer Erkrankungen infolge chronischer Stressbelastung. Da es als Überträgerstoff sowohl des Zentralen als auch Peripheren Sympathischen Nervensystems nahezu alle Organe und deren Zellen aktivieren kann, sind die potenziellen Schäden bei Chronischer Sympathikotonie, die sich ja bei allen Fällen von chronischer Stressbelastung nachweisen lässt, äußerst vielfältig. Noradrenalin führt über komplexe biochemische Abläufe zur vermehrten Bildung von Sauerstoff-und Stickstoffradikalen die unsere Nervenzellen strukturell schädigen können. Bei hoher Intensität der sympathikotonen Stimulation können Nervenzellen auch zerstört werden (Zellapoptose). Noradrenalin hat also die Fähigkeit im Rahmen einer schweren chronischen Sympathikotonie Zellen auf allen Ebenen zu schädigen oder ihren Untergang auszulösen.

Bei schweren Erkrankungen kann es durch eine Überstimulation des Sympathischen Nervensystems zu folgenden schweren Konsequenzen kommen:

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  • Immunsystem: reduzierte NK-Zell-Grundaktivität, Th1/Th2 – Switch, Zellapoptose
  • Stoffwechsel: Hyperglycämie, Hyperlactatämie, Lipolyse,
  • Knochenmark: Anämie
  • Skelettmuskel: Zellapoptose, erhöhte Zytokinausschüttung
  • Tachykardien und Tachyarrhythmien
  • Myokardiale Ischämien
  • Zellapoptose
  • Akuten Herztod
  • Dilatative und obstruktive Cardiomyopathie
  • Koronare Herzerkrankung
  • Dilatative Herzinsuffizienz
  • Herzmuskelfibrose und Kollagenvermehrung
  • Herzklappenerkrankungen
  • Pulmonal arterielle Hypertonie
  • Lungenödem
  • Hyperkoagulabilität
  • Thrombose
  • Minderdurchblutung
  • Hypoperistaltik
  • Stress-Ulcera
  • Reduktion der Sekretion von Prolaktin, HGH, fT3 und fT4
  • NK-Zell-Grundaktivität mit erhöhter Infektanfälligkeit
  • Unzureichendem „Respiratory Burst“ der Immunzellen und daher Förderung chronisch entzündlicher Erkrankungen
  • Th1/Th2-Switch mit sekundär erhöhter Allergiebereitschaft
  • Zellapoptose von Makrophagen, Lymphozyten, Leukozyten
  • Entzündungsbereitschaft durch Zytokinfreisetzung mit sek. Entzündungen an Gelenken, Muskeln, Bändern und Sehnen
  • Kleinhirnneuronen
  • Gefäßendothelzellen
  • Cardiomyozyten
  • Myozyten
  • Thymocyten
  • Kupferschen Sternzellen
  • Knorpelzellen
  • Osteoblasten
  • Pluripotenten Stammzellen
  • Telomerverkürzung mit sekundärer Verkürzung der Lebenserwartung
  • Organfibrosen (Herz und Lunge)
  • Zytokinfreisetzung im Skelettmuskel und der Magen- und Darmschleimhaut
Diese Auflistung macht deutlich, welch verheerende Schäden die bei jeder chronischen Stressbelastung vorzufindende chronische Sympathikotonie auslösen und zur Folge haben kann.

Zusammenfassung

Die Forschungsergebnisse der Stress- und Hirnforschung belegen unzweifelhaft, dass chronischer Stress jedweder Art, gegebenenfalls forciert durch genetische oder epigenetische Faktoren, evtl. auch verstärkt durch spezifische, sozialisationsbedingte Persönlichkeitsfaktoren (Perfektionsstreben, hoher Ehrgeiz, Verausgabungsbereitschaft, unzureichende Distanzierungsfähigkeit etc.) die Hauptursache einer großen Zahl von chronischen Zivilisation-Erkrankungen und einer damit einhergehenden, deutlichen Reduzierung der Lebenserwartung ist.