Erhöhte Infektanfälligkeit

Unabhängig von genetisch bedingten Immundefekten oder dem bei einer HIV-Infektion auftretenden Zusammenbruch des Immunsystems, sind häufig auftretende Infekte, beziehungsweise eine ausgesprochene Anfälligkeit für dieselben in aller Regel immer stressbedingter Natur.

Dazu muss man wissen, dass es ein physiologischer Bestandteil der akuten Stressreaktion ist, dass in Fällen von tatsächlicher Lebensbedrohung, die so genannte „Kampf- oder Fluchtreaktion“, alle Energien für die Mobilisierung von Muskulatur, Herz und Kreislauf, beziehungsweise Gehirn zur Verfügung gestellt werden.

 
 

Aus dem gleichen Grund wird das Immunsystem, das Verdauungssystem und das System der Geschlechtshormone heruntergefahren, um hier Energie einsparen zu können. Wenn diese akute Stressreaktion zur chronischen wird, wenn wir also ein Leben führen, das uns ständig unter Druck setzt oder es andere Gründe unbewusster Natur gibt, die eine chronische Stressbelastung verursachen, dann ist die Downregulation des Immunsystems eine zwanghafte Folge. Es verwundert deswegen nicht, dass die Infektanfälligkeit mit zu den führenden Symptomen chronischer Stressbelastungen gehört.

Dabei werden die Immunzellen in Ihrer Aktivität vor allem durch das Sympathische Nervensystem und seinen Überträgerstoff Noradrenalin, aber auch durch das Stresshormon Kortisol ausgelöst. Vergessen darf man dabei nicht, dass das Immunsystem auch eine Überwachungsfunktion bezüglich allfällig auftretender Tumorzellen hat, die von einem intakten Immunsystem erkannt und zerstört werden. Chronischer Stress kann deswegen durchaus auch das Auftreten maligner Erkrankungen aufgrund dieser Immunsuppression fördern. Weiterhin kommt es zu einem sogenannten Th1/Th2 Switch, einer Verschiebung der Aktivitäten bestimmter Immunzellen, die es mit sich bringt, dass die Betroffenen sich gegenüber Virusinfektionen nicht mehr so gut zur Wehr setzen können und deswegen auch in der Regel langwierige Verläufe solcher Erkrankungen mitmachen.

Diese Aktivitätsverschiebung des Immunsystems bringt gleichzeitig eine Häufung allergischer Erkrankungen, aber auch eine Häufung von Autoimmunerkrankungen mit sich. Dieser Zustand der stressbedingten Immunsuppression lässt sich z.B. durch Bestimmung der NK-Zellen Grundaktivität sehr leicht nachweisen. Das Fatale an der stressbedingten Immunzellsuppression ist allerdings, dass alle üblichen immunstimulierenden Substanzen und Medikamente hier relativ wirkungslos sind und eine tatsächliche Verbesserung erst dann auftritt, wenn es zu einer relevanten Reduktion der Stressbelastung kommt. Ist die chronische Stressbelastung deutlich reduziert oder gar beseitigt, erholt sich das Immunsystem innerhalb weniger Tage.